Verkaufsoffene Sonntage und das Ladenöffnungsgesetz
Den deutschen Einzelhandel plagen momentan viele Probleme. Die Medien sprechen von einem „Massensterben in den Innenstädten“. Der Einzelhandel könne nicht mit E-Commerce mithalten: Während die Umsätze des Online-Handels stetig und rasant wachsen, bleiben die Umsätze des traditionellen Einzelhandels überschaubar. Befürworter des verkaufsoffenen Sonntags behaupten, liberalere Ladenöffnungszeiten könnten diesem Problem entgegenwirken und dem Einzelhandel eine faire Chance gegenüber dem Online-Handel zu geben.
Vermutlich lässt sich der Verfall der deutschen Innenstädte nicht allein durch Maßnahmen wie verkaufsoffene Sonntage aufhalten. Das heißt allerdings nicht, dass verkaufsoffene Sonntage dem nicht entgegenwirken können. Obwohl der Online-Handel viele Vorteile bietet, kann er manche Aspekte des traditionellen Einzelhandels nicht ersetzen.
Egal wie viele Rezensionen ein Produkt bei Amazon haben mag, sie ersetzen nicht die fachkundige Beratung durch geschultes Personal im Einzelhandel. Konsumenten können ihre Fragen beantworten lassen, ohne sich auf anonyme Antworten verlassen zu müssen. Insbesondere ältere Menschen profitieren von dieser Art der Beratung. Zudem bietet ein Besuch im Einzelhandel die Möglichkeit, Produkte selbst anschauen, anzufassen und anzuprobieren. Damit ist auch ein sozialer Aspekt verbunden. Wer Shoppen geht, tut dies oft mit Familie oder Freunden, um sich auszutauschen und Zeit miteinander zu verbringen. Während OnlineShopping alleine vor dem Bildschirm passiert, ist ein Bummel durch die Stadt mit Freunden ein soziales Ereignis.
Das sind alles Dinge, die deutsche Konsumenten sehr zu schätzen wissen. Dazu zählen auch junge Leute, auch wenn sie immer öfter E-Commerce-Angebote vorziehen. Das liegt unter anderem daran, dass Online-Shopping oft weniger zeitaufwendig ist und jederzeit möglich ist. Denn wer viel arbeitet, ist durch Ladenöffnungszeiten eingeschränkt. Nicht nur Professionals, sondern auch Studierende zählen zu dieser Gruppe, die durch Ladenöffnungszeiten eingeschränkt ist. Studierende verbringen Werktage in Vorlesungen, Tutorien und in der Bibliothek. Die freie Zeit, die sie am Wochenende haben, kann nicht für einen Bummel in der Stadt genutzt werden: samstags haben Geschäfte nur eingeschränkt auf, sonntags gar nicht. Für vielbeschäftigte Studierende würden verkaufsoffene Sonntage nicht nur die Möglichkeit zum Einkaufen bieten, sondern auch zum Arbeiten. Wer in der Woche keine Zeit zum Shoppen hat, hat vermutlich auch wenig Zeit zum Arbeiten. Viele Studierende würden gerne die Gelegenheit nutzen, um an Sonntagen zu arbeiten. Dank Sonntagszuschlägen ist der Sonntag nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell lohnenswert. Die bisherigen Jobs, die sonntags möglich sind, sind von Studierenden sehr beliebt. Bäckereien, gastronomische Lokale oder Tankstellen sind sonntags oft von Studierenden bemannt. Würde auch der Einzelhandel nachziehen, gäbe es genügend Menschen, die gerne Sonntagsarbeit als Zuverdienst nutzen wollen würden.
Gegner des verkaufsoffenen Sonntages kritisieren, dass niemand gezwungen sein sollte, sonntags zu arbeiten. Der Sonntag ist historisch gesehen ein Tag der Ruhe, beruhend auf der christlichen Tradition. Der Arbeitnehmer soll die Gelegenheit haben, sonntags die Arbeit niederzulegen und den Tag für den Besuch der Kirche und zur persönlichen Reflexion zu nutzen. Da heutzutage nur noch wenige Menschen den Sonntag für spirituelle Besinnung benutzen, insbesondere nicht junge Leute, wirkt dieses Argument jedoch mehr als veraltet. Die Lebensrealität für die zunehmende Anzahl an Freiberuflern ist viel mehr, dass der Sonntag ein Tag wie jeder andere ist. Dieser Bevölkerungsgruppe wird die Einschränkung des Sonntags nicht gerecht. Ein freier Tag klingt gut; doch wenn nicht arbeiten darf, kann man nicht mehr von „frei“ reden. Die Sonntagsruhe entspringt einer Zeit, in der unsere Gesellschaft deutliche homogener war als die heutige es ist. Es gibt eine Vielzahl an Lebensentwürfen, die früher nicht möglich gewesen wäre. Eine Regelung abzuschaffen, die dem Gros der Gesellschaft nicht mehr zu Gute kommt, könnte ein starkes Zeichen für ein wirtschaftlich fortschrittliches Deutschland setzen.
Viele Leute würden gerne den Sonntag nutzen, um entweder selbst einkaufen zu gehen oder auch um zu arbeiten und damit anderen die Möglichkeit zum Einkaufen geben. Kritiker behaupten, verkaufsoffene Sonntage würden dazu führen, dass Menschen gegen ihren Willen sonntags arbeiten müssten. Dabei scheinen sie die Tatsache zu ignorieren, dass viele Arbeitnehmer genau dies gerne tun würden. Zudem gilt aktuell die Regelung, dass jedes Geschäft selbst entscheiden kann, ob es an verkaufsoffenen Sonntagen seine Türen öffnen möchte. Gibt es nicht genug Personal dies zu tun, kann er eben nicht öffnen. Dafür kann und darf auch kein Arbeitnehmer bestraft werden, wenn es so im Vertrag nicht vorgesehen wird. Zudem werden die meisten Arbeitnehmer im Einzelhandel inzwischen auf einer Stundenlohnbasis bezahlt. Die erhöhten Öffnungszeiten würden also nicht zu höherer Arbeitszeit führen, sondern zu mehr Einstellungen in diesem Wirtschaftszweig. Wären verkaufsoffene Sonntage die Norm, so könnte (und müsste) man den Sonntag als Arbeitstag im Einzelhandel auch vertraglich regeln. So tun es auch schon solche Gewerbe, die von der Sonntagsschutzregelung ausgenommen sind.
Die Tatsache, dass manche Gewerbe sonntags betrieben werden dürfen, ist auch eine Ungerechtigkeit, die sowohl dem Wettbewerb schadet als auch den Konsumenten. Geschäfte, die sonntags aufhaben dürfen, wie zum Beispiel Bäckereien, Bahnhofsgewerbe oder Tankstellen, nutzen ihre Stellung voll aus und machen sonntags ihr bestes Geschäft. Bäckereien heben ihre Preise an und Tankstellen verkaufen Lebensmittel zu exorbitanten Preisen. Gegner des verkaufsoffenen Sonntags sagen, wer wüsste, dass die Geschäfte sonntags nicht und samstags nur eingeschränkt aufhätten, sei selber schuld. Doch warum sollten die Konsumenten darunter leiden, dass der Wettbewerb derart eingeschränkt wird?
Die aktuelle Regelung zu verkaufsoffenen Sonntagen, welche ein paar Mal im Jahr stattfinden, sind ebenfalls nicht allen Gewerben gegenüber gerecht. Jede Stadt darf für sich entscheiden, welche Geschäfte geöffnet sein dürfen und zu welchen Zeiten. Dies hängt oft mit ihrer Lage zusammen – Geschäfte in der Altstadt oder an der Shoppingmeile dürfen aufmachen, andere dagegen haben diese Wahl nicht. Das macht die Innenstadtlagen noch attraktiver und teurer und konzentriert damit Innenstädte mehr, statt regionale Zentren zu erhalten.
Unsere Gesellschaft basiert auf dem Prinzip der individuellen Freiheit. Anstatt Konsumenten, Arbeitnehmer und Unternehmer einzuschränken mit unnötigen Regulierungen, sollten wir es jedem selber überlassen, ob er sein Geschäft öffnen will, arbeiten oder einkaufen will. Die aktuellen Regelungen zum verkaufsoffenen Sonntag sorgen für Anstürme auf die Innenstadt, die ein kleines Umsatzplus für Unternehmer und viel Stress für Arbeitnehmer mit sich bringen. Kurz daraufhin herrscht wieder Flaute. Eine konsistente Regelung, entweder zu regelmäßigen oder permanenten verkaufsoffenen Sonntagen, würde deutschen Innenstädten wieder Leben einhauchen. Davon würde nicht nur der Einzelhandel, sondern auch die Gastronomie und der Tourismus profitieren. Viele Besucher zeugen von einer lebendigen Innenstadt und setzen ein starkes Zeichen gegen das prophezeite Aussterben der Innenstädte. Dass Deutschland eines der stärksten Wirtschaftsmächte ist, sollte auch in deutschen Innenstädten zu spüren sein.
Ein Aufsatz von Charlotte Meier